„Es ist wichtig, als Chor erst einmal den Puls zu finden“, meinte Jean Kleeb zu Beginn des gemeinsamen Chorworkshops von Kultur Pur in Bestwig e.V. und katholischer Kirche Meschede-Bestwig am Samstag im Bestwiger Bürger- und Rathaus. Und so begann er die Proben mit Atem- und Rhythmus-Übungen: die Arme strecken, tief Luft holen, die Hüften schwingen, sich den Nachbarn zuwenden, Lächeln, mit den Füßen tippeln und schließlich im Takt in die Hände klatschen. „So“, sagte er nach einer halben Stunde mit breitem Lächeln – „nun sind wir bereit zu singen.“
Fast 60 Sängerinnen und Sänger hatten sich zu dem Workshop eingefunden. „Wir sind ganz begeistert, dass sich nach der mehrjährigen, auch Coronapandemie-bedingten Pause wieder so viele von Euch genmeldet haben“, stellte Michael Gockel aus dem Kultur Pur-Vorstand zu Beginn des Workshops fest. Obwohl nun ganz vieles anders war: der Chorleiter, der Probenraum, das Repertoire. Denn Jean Kleeb beschränkt sich nicht auf Gospels. Ihn fasziniert die Weltmusik. Und so nahm er den Chor mit auf eine musikalische Reise.
Geprobt wurden etwa ein afrikanisches Lied mit versetzten Rhythmen, die wie ein Echo nachhallten, der Auszug einer brasilianischen Bossa Nova-Messe mit Anklängen an die Zwölfton-Musik oder ein mazedonisches Liebeslied im ungewohnten Sieben Achtel-Takt. „Das bekommen wir doch nie hin“, wisperte der Sopran und brummte der Bass. Doch der Komponist, Chorleiter und Arrangeur Jean Kleeb verstand es, den Takt spürbar zu machen: „Flüstert mal: Tellerchen, Tasse, Tasse – Tellerchen, Tasse, Tasse….“. Dann wurde dazu geklatscht. Und so verinnerlichte der Chor allmählich den Rhythmus, der für den Balkan so typisch ist.
Das Repertoire war anspruchsvoll und forderte von den Workshop-Teilnehmenden viel Konzentration. Doch halfen dabei auch die acht Mitsängerinnen und Sänger des Kammerchores Joy of life, die die verschiedenen Stimmlagen unterstützten. Und er umrahmte auch das Abschlusskonzert am Abend in der Christkönigkirche mit moderner und anspruchsvoller Musik, so dass der Projektchor sich auf drei Lieder beschränken konnte – und die beherrschte er: das „Jyoti do“ aus Indien, der Gospel „I pharadisi“ aus Südafrika und das brasilianisch geprägte „Let your light shine“ von Jean Kleeb.
Das Publikum mag abends angesichts der modernen Kammermusik von Joy of life und der verhältnismäßig wenigen Chorbeiträge gestaunt haben, ergab sich daraus doch ein ganz anderer Sound als bei den Gospelkonzerten der früheren Workshops. Doch als damit auf den Tag genau 18 Jahre vorher begonnen wurde, war es sehr ähnlich: Denn auch damals steuerten die Gastmusikerinnen und -musiker von Our Voices aus Hannover mehr eigene Lieder bei. Und der Projektchor begann erst über die folgenden Jahre, sich ein eigenes Repertoire aufzubauen.
Jedenfalls gab es am Samstagabend nach dem Konzert viel Applaus und stehende Ovationen. „Damit haben wir einen neuen Anfang gesetzt“, freut sich Michael Gockel. Gemeinsam werde man nun die Rückmeldungen auswerten und gucken, wie es weitergeht. Fest steht: Die Begeisterung fürs Singen hat Jean Kleeb unter den Teilnehmenden neu entfacht. Das macht Lust auf mehr. U. Bock