© U. Klauke

Modellprojekt "Ehrenamtliche Mitverantwortung"

Mit einem Kongress Mitte Juni in Paderborn endete das Modellprojekt „Ehrenamtliche Mitverantwortung“ im Erzbistum Paderborn. Die Kirchengemeinderäte im Bereich Bestwig (Pfarrei St. Andreas) waren Teil des Projektes...
Der folgende Bericht erschien anschließend auf der Internetseite des Erzbistums:

 

Die Veranstaltung war der offizielle Abschluss des Modellprojekts „Ehrenamtliche Mitverantwortung im Erzbistum Paderborn“, das die Erzdiözese in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Religionspädagogik an der Universität Paderborn seit 2017 durchgeführt hat. Mit Workshops, Vorträgen, einem Planspiel und Diskussionen bot der Kongress vielfältige Perspektiven auf die Entwicklung des Ehrenamts, die auch überdiözesan ein breites Interesse fand: Die Veranstalter freuten sich über Teilnehmende aus den (Erz-)Diözesen Münster, Fulda, Köln, Hildesheim, Aachen, Rottenburg-Stuttgart, Berlin, Limburg und Trier.

 

Der Fokus des Modellprojekts „Ehrenamtliche Mitverantwortung im Erzbistum Paderborn“ lag auf der Weiterentwicklung ehrenamtlicher Gremien: In vier Modellregionen wurden neue Gremienformen ausprobiert, anhand derer überprüft werden sollte, ob sie mehr Eigenverantwortung und Partizipation Ehrenamtlicher ermöglichen und wie sich dies auf das kirchliche Leben vor Ort auswirkt.

 

Der Pastoralverbund Schmallenberg-Eslohe ging den Weg eines Pfarrgemeinderats ohne Beteiligung eines hauptamtlichen Mitglieds. Die Pfarrei St. Andreas in Velmede erprobte das Gremienformat der Kirchengemeinderäte, bei denen Aufgaben von Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat verschmelzen. Noch einen Schritt weiter wagten sich der Pastoralverbund Balve-Hönnetal und der Pastorale Raum Arnsberg: Dort formierten sich im Zuge des Projektes Gemeindeteams, bei denen die Selbstorganisation einen noch größeren Raum einnimmt. Bei den vier Modellen sollte erforscht werden, welches Modell unter welchen Bedingungen gelingt und was die neuen Gremien in den Modellräumen ausgelöst und bewirkt haben.

 

Ein Fronleichnamsgottesdienst mit anschließender Prozession, vorbereitet, organisiert und gefeiert von Ehrenamtlichen. Dies ereignete sich vor wenigen Wochen bereits zum zweiten Mal in der Pfarrei St. Antonius Fleckenberg im Pastoralen Raum Schmallenberg-Eslohe. Das Beispiel zeigt: Ehrenamtliches Engagement im Erzbistum Paderborn verändert sich, und auch das Miteinander von Haupt- und Ehrenamt. Wie es dazu kam, erzählte Monika Winzenick, Gemeindereferentin in Schmallenberg-Eslohe, in einem Workshop beim Abschlusskongress „Entwicklung der ehrenamtlichen Mitverantwortung“ im Paderborner Bildungs- und Tagungshaus Liborianum. 52 Hauptberufliche und Ehrenamtliche nahmen am 16. und 17. Juni 2023 an der Veranstaltung teil.

 

 

© Bärbel Kiffmeier / Erzbistum Paderborn
An der Organisation und Durchführung des Kongresses war ein großes Team beteiligt: v.l. Florian Jansen, Lisa Hofmeister, Dr. Annegret Meyer, Melina Sieker, Diözesanadministrator Dr. Michael Bredeck, Pastor Stephan Masolle, Prof. Ddr. Oliver Reis, Alexander Schlüter, Monika Winzenick, Dr. Rainer Hohmann, Dorothee Holzapfel, Stephan Lange, Ursula Klauke, Julia Fisching-Wirth.

Wie können wir Fronleichnam feiern?

Monika Winzenick berichtete, wie in dem Bezirk „Schmallenberger Land“, einem von fünf Bezirken des großen Pastoralen Raums, zunächst versucht wurde, einen großen, zentralen Fronleichnamsgottesdienst für alle vier Gemeinden anzubieten. Die ehrenamtliche Beteiligung aus den Gemeinden sei bei dieser Form aber schnell weggebrochen.

Die Corona-Pandemie und die Betroffenheit über Missbrauchsfälle hätten dann zu der Frage geführt, wie man überhaupt Fronleichnam feiern könne. Pfarrer Georg Schröder, Leiter des Pastoralen Raums, habe diese Problematik in einer Predigt ins Wort gebracht und somit für ein allgemeines Nachdenken gesorgt. Schließlich habe die Leitung des Pastoralen Raums die Entscheidung getroffen, dass künftig in einer Gemeinde des Bezirks ein Fronleichnamsgottesdienst stattfinden solle, während es den anderen drei Gemeinden freigestellt sei, ein Angebot zu machen, etwa Brot-Feiern, Prozessionen oder Anbetungen.

Die Ehrenamtlichen in der Pfarrei St. Antonius Fleckenberg griffen diese Möglichkeit auf. Begleitet von Monika Winzenick bereiteten sie erstmals 2022 einen Fronleichnamsgottesdienst selbstständig vor, als Wort-Gottes-Feier mit Kommunionausteilung und anschließender Prozession mit drei Stationen – ohne hauptamtliche Beteiligung. Im Workshop war auf Bildern zu sehen, wie Ehrenamtliche Monstranz und Bibel durch die Straßen trugen. Um nicht in die Rolle eines Priesters zu kommen, sei auf das Mittragen des Himmels verzichtet worden. „Die Resonanzen auf diese Form der Fronleichnamsfeier sind positiv“, so Monika Winzenick.

 

 

© Bärbel Kiffmeier / Erzbistum Paderborn
Zum Abschlusskongress „Entwicklung der Ehrenamtlichen Mitverantwortung“ waren Interessierte aus zahlreichen Diözesen zusammengekommen.

Entwicklungen im Ehrenamt: Überdiözesanes Interesse

Veränderungen im Ehrenamt wie in Fleckenberg konnten die Teilnehmenden beim Abschlusskongress „Entwicklung der ehrenamtlichen Mitverantwortung“ aus zahlreichen Perspektiven betrachten, in Workshops, Vorträgen, Planspielen und Diskussionen. Und das Thema ist nicht nur im Erzbistum Paderborn relevant. Die Veranstalter freuten sich über Teilnehmende aus den Diözesen Münster, Fulda, Köln, Hildesheim, Aachen, Rottenburg-Stuttgart, Berlin, Limburg und Trier.

 

Anlass für den Kongress war der Abschluss des Modellprojektes „Ehrenamtliche Mitverantwortung“, durchgeführt vom Bereich Pastorale Dienste im Generalvikariat und wissenschaftlich begleitet vom Lehrstuhl für Religionspädagogik an der Universität Paderborn. 2017 gestartet, legte das Projekt den Fokus auf die Weiterentwicklung ehrenamtlicher Gremien. In vier Modellregionen wurden neue Gremienformen ausprobiert, anhand derer überprüft werden sollte, ob sie mehr Eigenverantwortung und Partizipation Ehrenamtlicher ermöglichen und wie sich dies dann auf das kirchliche Leben vor Ort auswirkt.

 

 

© Bärbel Kiffmeier / Erzbistum Paderborn
Prof. DDr. Reis informierte in seinem Vortrag über erste Erkenntnisse aus den Modellprojekten.

Die Modellprojekte und ihre Folgen

Folgende Modelle wurden ausprobiert: Der Pastoralverbund Schmallenberg-Eslohe ging den Weg eines Pfarrgemeinderats ohne Beteiligung eines hauptamtlichen Mitglieds. Die Pfarrei St. Andreas in Velmede erprobte hingegen das Gremienformat der Kirchengemeinderäte, bei denen Aufgaben von Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat verschmelzen. Noch einen Schritt weiter als diese beiden Modellregionen wagten sich der Pastoralverbund Balve-Hönnetal und der Pastorale Raum Arnsberg vor. Dort formierten sich im Zuge des Projektes Gemeindeteams, bei denen die Selbstorganisation einen noch größeren Raum einnimmt.

 

„Dabei ging es nicht darum herauszubekommen, welche dieser Formen nun am besten ist“, erklärte Lisa Hofmeister vom Lehrstuhl für Religionspädagogik. „Wir wollten erkennen: Welches Modell gelingt unter welchen Bedingungen? Und wir wollten Erkenntnisse gewinnen, was die neuen Gremien in den Modellräumen ausgelöst und bewirkt haben.“

 

Professor Dr. Dr. Oliver Reis, Inhaber des Lehrstuhls für Religionspädagogik, sagte in einem Impulsvortrag, dass man alle drei der im Modellprojekt erprobten Formen brauche, wenn man von den Menschen in den Gemeinden vor Ort her denke. Es gebe unterschiedliche Geschwindigkeiten. Mancherorts werde mit Blick auf ehrenamtliche Mitverantwortung eine hauptamtliche Beteiligung gebraucht, anderswo dagegen agierten Ehrenamtliche eigenständig. Reis konstatierte, dass alle drei neuen Gremienformen ihre Spuren in den Modellräumen hinterlassen und etwas verändert hätten. Am stärksten hätten jedoch die Gemeindeteams Partizipation und Selbstsorge verwirklicht.

Ein Planspiel

Bei einem Planspiel hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, das Verhalten von Hauptberuflichen und Ehrenamtlichen in einem fiktiven Konflikt in einem fiktiven Pastoralen Raum miteinander zu diskutieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Im fiktiven Pastoralen Raum gibt es eine Gemeinde, in der nur noch zwei Mal im Monat Eucharistie gefeiert werden kann. Den Ehrenamtlichen genügt das nicht. Sie überzeugen die Gemeindereferentin, eine Wort-Gottes-Feier mit Kommunionausteilung in der Gemeinde zu feiern. Als die Gemeindereferentin krankheitsbedingt länger ausfällt, übernimmt ein Kommunionhelfer ihre Rolle. Auf Wunsch von Gemeindemitgliedern baut er die eucharistischen Einsetzungsworte vor das Vater Unser ein, ohne dies mit dem Pastoralteam abzusprechen. Als ein Mitglied der Nachbargemeinde eine solche Wort-Gottes-Feier miterlebt ist er angetan und will beim Generalvikariat anfragen, ob die eigene Gemeinde dies auch übernehmen dürfe…

In der Diskussion um diese fiktive Situation machten die Teilnehmenden des Kongresses deutlich, dass die Bereitschaft der Ehrenamtlichen, selbst für eine regelmäßige Gottesdienstfeier in ihrer Pfarrei zu sorgen, grundsätzlich zu würdigen sei. Allerdings sei die Kommunikation zwischen hauptberuflichem Pastoralteam und Ehrenamtlichen mangelhaft, die Situation und die Bedürfnisse in der Gemeinde sei von den Hauptamtlichen nicht wahrgenommen geworden. Die Teilnehmenden sprachen sich auch dafür aus, dass die zu erwartende Reaktion aus dem Generalvikariat keine Sanktion oder „Tatstrafe“ sein solle. Stattdessen müsse danach geschaut werden, wie man mit dem Bedürfnis der Gemeinde nach einem sonntäglichen Gottesdienst am besten umgehen könne. Lösungsvorschläge könnte eine gute Ausbildung und offizielle Beauftragung des Kommunionshelfers sein, aber auch eine Suche nach Alternativen für die Verwendung der Einsetzungsworte.

 

 

© Bärbel Kiffmeier / Erzbistum Paderborn
An der abschließenden Podiumsdiskussion nahm unter anderem auch Diözesanadministrator Dr. Michael Bredeck teil.

Podiumsrunde zum Abschluss

Auch eine Podiumsrunde mit zahlreichen Fachleuten griff das Planspiel noch einmal auf. Dorothee Holzapfel vom Referat Ehrenamtsförderung im Generalvikariat betonte, dass es in diesem Konflikt nicht darum gehe, etwas zu erlauben oder zu verbieten, sondern um Wertschätzung der Betroffenen, verbunden mit deren Förderung und Legitimation. Dr. Rainer Hohmann, Leiter der Fortbildung für das Pastorale Personal, sagte, dass ein solch aufbrechender Konflikt auch ein nützlicher Moment sein könne, durch den eine Gemeinde auch zu sich selbst finden könne. Professor DDr. Reis ergänzte, dass für diesen Prozess der Selbstfindung ein Gegenüber, welches im Planspiel vom Generalvikariat repräsentiert werde, ein wichtiger Faktor sei. Dieses dürfe aber nicht als feindlich wahrgenommen werden. Diözesanadministrator Dr. Michael Bredeck, der am zweiten Tag des Kongresses teilnahm, machte unterschiedliche Kirchenbilder als Teil des Problems im Planspiel aus. Dieses Problem könne nicht mit mehr Kommunikation gelöst werden, sondern es gehe darum, nach dem Verbindenden zu suchen, das die Parteien gemeinsam haben.

 

In der weiteren Diskussion machte sich Professor DDr. Reis dafür stark, Kirche trotz allen gegenläufigen Trends rechtlich-institutionell zu denken und auf diese Weise Verlässlichkeit, Identität und Legitimation zu organisieren. Er verwies darauf, dass es unter den Ehrenamtlichen nach wie vor eine starke Gruppe gebe, die weniger nach den eigenen Interessen und Charismen frage, sondern die Verantwortung für ihre Gemeinde übernehmen wolle und ein organisationsbezogenes Engagement anstrebe. Diese Gruppe gebe es voraussichtlich noch 30 Jahre, und er stelle sich die Frage, welche Botschaften man an diese sende. „Die Botschaft ‚Das was du tust, hat Zukunft‘ haben Angehörige dieser Gruppe wohl schon lange nicht mehr gehört“, vermutete Professor Reis.

 

© Bärbel Kiffmeier / Erzbistum Paderborn
Stephan Lange informierte darüber, wie sich die Erkenntnisse des Modellprojektes auf die Pfarrgemeinderatswahl 2025 auswirken.

Ausblick Pfarrgemeinderatswahl 2025

Stephan Lange, Leiter der Abteilung „Leben im Pastoralen Raum“ im Generalvikariat, richtete zum Ende der Veranstaltung den Blick in die Zukunft: In zweieinhalb Jahren fänden die nächsten Pfarrgemeinderatswahlen statt und bis dahin solle ein Rahmen geschaffen werden, mit dem die Erfahrungen des Modellprojektes umgesetzt werden können. Hierzu gehören die Überarbeitung der PGR-Statuten, der Wahlordnung und die entsprechende Kommunikation und Verständigung vor Ort. Hierzu habe das Modellprojekt wertvolle Hinweise geliefert.

 

Diözesanadministrator Dr. Michael Bredeck äußerte zum Abschluss seine Freude darüber, dass sich viele Diözesen an dem Kongress beteiligt hätten. Es sei wichtig, bei dem Thema ehrenamtliche Mitverantwortung beieinander zu bleiben und eine gemeinsame Arbeitsebene zwischen den Bistümern zu finden.